Welche Pflanzen sind giftig, was macht Pflanzen giftig, und warum sind sie giftig?

"Mein Kind hat rote Beeren von einem Strauch mit grünen Blättern gegessen. Ist das gefährlich? Was soll ich denn jetzt tun?"
So klingen die Fragen der Eltern, die in den Giftnotrufzentralen anrufen, manchmal tatsächlich. Diese Frage kann diese Website Ihnen natürlich nicht beantworten! Auf andere Fragen gibt es jedoch klare, wenn auch nicht immer einfache Antworten.

Welche Pflanzen sind giftig?

Um diese Frage beantworten zu können, muss zuerst die Definition von Giftigkeit geklärt sein. In der Literatur werden oft sehr unterschiedliche Angaben gemacht, was die Einschätzung nicht eben vereinfacht. Es ergibt auf jeden Fall Sinn, der Aussage des GIZ in Göttingen zu folgen: als giftig oder sehr giftig werden nur Pflanzen bezeichnet, die schon in geringen Mengen mittlere bis schwere Vergiftungen verursachen oder verursachen können. Die große Zahl der Pflanzen, deren Teile in größeren Mengen genossen gastrointestinale Beschwerden (Magen-Darm-Beschwerden) verursachen, werden hier nicht als Giftpflanzen bezeichnet.
Hinzu kommt das Problem, dass viele Pflanzeninhaltsstoffe noch nicht oder nur kaum bekannt sind, und somit Unklarheit über ihre Wirkungen herrscht.
Es gibt jedoch einige Pflanzen, bei denen kein Zweifel über ihre starke Giftigkeit besteht. Diese sind in einer Pflanzenliste des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zusammengestellt, auf die hier verwiesen werden soll. Diese Liste wird auch vom Giftinformationszentrum Nord in Göttingen als Referenz angegeben.

Buchsbaum - Buxus spec. - giftig

Warum sind Pflanzen giftig?

Pflanzen konkurrieren mit anderen Pflanzen um Wasser, Nährstoffe und Licht. Auch mit dem Rest der belebten Natur müssen sie sich auseinandersetzen. Um sich vor Feinden zu schützen, haben Pflanzen im Laufe der Evolution unterschiedliche Strategien entwickelt. Zu den wichtigsten zählen die Produktion von Giften und die Ausbildung von Stacheln, Behaarung und Dornen. Pflanzengifte sollen in erster Linie vor Bakterien, Pilzen und Insekten schützen, und auch vor Freßfeinden. Bei den Pflanzengiften handelt es sich um verschiedene chemische Verbindungen, die bei Menschen (und natürlich auch Tieren, aber nicht immer) zu Erkrankungen oder in schweren Fällen sogar zum Tod führen können. Die Vergiftung erfolgt hauptsächlich über das Verzehren von Pflanzenteilen, meistens den Früchten. Eine Vergiftung über die Haut ist dagegen seltener.

Was macht Pflanzen giftig?

Die meisten Gifte gehören zu den "sekundären Pflanzenstoffen" (Exkrete), d.h. sie entstehen als Nebenprodukt beim Stoffwechsel der Pflanzen. Besondere Bedeutung erlangen sie für die Konkurrenzfähigkeit der Pflanzen unter sich, bekannt unter dem Begriff Allelopathie. Über diese sekundären Pflanzenstoffe ist bisher sehr wenig bekannt. Pflanzliche Gifte gehören hauptsächlich zur Gruppe der Glycoside, Alkaloide oder Gerbstoffe.

Glycoside

Sie gehören zu den "primären Pflanzenstoffen" und sind die Verbindung aus einem Zucker (oft Glucose, Fructose) mit einer spezifischen, nicht zuckerartigen Komponente, die als Aglykon oder Genin bezeichnet wird. Beispiele hierfür sind: Die stark giftige Blausäure im Lein, das herzwirksame Digitalis-Saponin des Fingerhutes oder das relativ harmlose Kumarin-Glycosid im Waldmeister.

Alkaloide

Tabak-Arten - Nicotiana spec. - giftig

Unter Alkaloiden versteht man stickstoffhaltige, basische Verbindungen, die sich als "sekundäre Pflanzenstoffe" in Blüten, Früchten, Blättern und Wurzeln befinden (Hess, 1977). Der Basencharakter hat dieser Gruppe ihre Bezeichnung (alkaloid = basen-ähnlich) eingetragen. Alkaloide dienen der Pflanze hauptsächlich als Fraßschutz und als Stickstoff-Reserve. Sie lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen wie etwa: Atropin, Chinin, Cocain, Coniin, Codein, Nacotin, Nicotin, Merphin, Papaverin und Mutterkorn-Alkaloide.

Gerbstoffe

Sie gehören als spezielle Exkrete ebenfalls zu den "sekundären Pflanzenstoffen". Ihre Funktion in der Pflanze ist es, durch Ablagerung die Festigkeit der Zellwand zu erhöhen. Gerbstoffe wirken entzündungshemmend. Sie werden bei Mensch und Tier erst in hohen Dosen giftig, indem eine nicht umkehrbare Eiweißfällung zum Tode führt.

Wie giftig sind Pflanzen?

Ob und wie stark ein Pflanzengift bei einem Kind auch als Gift wirkt, hängt von vielen Faktoren ab. Von der Menge des Giftes, das das Kind zu sich genommen hat, von seinem Alter, seinem Gesundheitszustand und seiner Konstitution. Da die Gifte die Magen-Darm-Schleimhäute häufig stark reizen, verhindert in vielen Fällen ein spontanes Erbrechen, dass eine tödliche Dosis in den Körper gelangt. Man sollte jedoch nicht ohne ärztlichen Rat Erbrechen herbeiführen wollen! Außerdem kann auch bei Pflanzen der selben Art der Giftstoffgehalt erheblich schwanken, je nachdem ob die Pflanze in der Sonne oder im Schatten wächst, ob es in diesem Jahr viel geregnet hat oder nicht, ob die Pflanze auf einem guten Boden gestanden hat oder nicht, vom Reifezustand der Früchte bzw. welcher Pflanzenteil verwendet wird und vieles mehr. Es lässt sich demnach keine generelle Aussage treffen, welche genaue Menge denn nun gefährlich ist.

Warum darf das Kind keine Milch trinken?

Das Trinken von Milch wird oft als Hausmittel gegen Vergiftugen empfohlen, um das Gift zu "neutralisieren". Dies ist jedoch leider genau verkehrt. Viele der in Pflanzen enthaltenen Stoffe, somit auch die Giftstoffe, sind nämlich fettlöslich. Es kann also sein, dass ein Giftstoff, der normalerweise nur in geringen Mengen in den Kreislauf gelangen würde, durch die in der Milch enthaltenen Lipide (Fette) gelöst wird und so dem Körper eine sehr große und viel gefährlichere Dosis zugeführt wird.

Warum sollte man kein Erbrechen herbeiführen?

Buschwindröschen - Anemone nemorosa - giftig

Das Erbrechen lassen durch Laien kann sehr gefährlich sein. Zum einen besteht gerade bei kleinen Kindern die Gefahr, dass Verletzungen auftreten können, gerade wenn, wie in älteren Büchern noch manchmal empfohlen wird, ein Finger oder gar ein Gegenstand in den Hals gesteckt werden soll. Auch das Trinken von Salzwasser ist nicht geeignet, da besonders kleine Kinder sehr schnell zusätzlich zu der vielleicht gar nicht ernsten Erstvergiftung noch eine Natriumvergiftung (=Kochsalzvergiftung) bekommen können. Zum anderen besteht die Gefahr des Erstickens, wenn Erbrochenes in die Luftwege gelangt, was bei Patienten, die nicht mehr bei Bewusstsein sind oder deren Bewusstsein eingeschränkt ist, sehr schnell geschehen kann. Zusätzlich kann außerdem durch das Erbrechen weiterer Schaden entstehen. Dazu muss man wissen, dass der Magen viel unempfindlicher ist als die Speiseröhre und der Mund-Halsbereich. Wenn also ein Giftstoff im Magen ist, kann er dort weniger Schaden anrichten, als wenn er noch einmal durch die Speiseröhre gelangt. Das ist besonders bei stark reizenden oder gar ätzenden Giften der Fall.
Fazit: Selten ist ein Vergiftung so stark, dass der Mageninhalt sofort entfernt werden muss. Es ist in jedem Fall besser, auf den meist in wenigen Minuten eintreffenden Arzt zu warten, als das Kind durch unsachgemäße Erste Hilfe in Gefahr zu bringen.
Wenn das Kind von selbst erbricht, lassen Sie es mit dem Kopf nach unten über Ihre Knie hängen oder über den Rand der Badewanne, die Magengegend soll die höchste Stelle des Körpers bilden. So kann der Mageninhalt nicht in die Luftwege gelangen und der Arzt oder Sie selber können Proben von dem Erbrochenen nehmen, um es untersuchen zu lassen. Es kann z. B. wichtig sein, zu erfahren, ob Beeren oder Samen zerkaut oder nur geschluckt wurden, die gegessene Menge an Pflanzen ist feststellbar und auch die tatsächliche Giftmenge, die das Kind aufgenommen hat.

Gibt es Faustregeln, nach denen ich mich richten kann?

Narzisse - Narcissus pseudonarcissus - giftig

Ganz klar: Nein! Es existieren viele "Bauernregeln", nach denen man angeblich giftige von ungiftigen Pflanzen unterscheiden können soll, ähnlich wie sich viele Märchen um essbare und giftige Pilze ranken. Weder sind grundsätzlich rote Beeren giftig und blaue oder schwarze geniessbar, noch ist das, was für Tiere ungiftig ist, für uns genauso ungiftig.
Folgendes kann für Sie zur Faustregel werden: erfreuen Sie sich an den schönen Blüten oder Beeren, aber pflücken Sie sie nicht, wenn Sie sie nicht sicher erkennen! Unternehmen Sie öfter einmal einen langen Sonntagsspaziergang mit jemandem der sich auskennt, nehmen Sie einen Naturführer mit, und lernen Sie Pflanzen kennen.

Fachbegriffe

Ich habe mich bemüht, so wenig Fachbegriffe wie möglich zu verwenden, damit alles für Laien verständlich bleibt. Es geht jedoch nicht immer ohne! Verwendete Fachbegriffe finden Sie hier erklärt.

Allelopathie

Absonderung von Pflanzengiften, die Pflanzen einsetzen, um sich vor Konkurrenz zu schützen. Beispiele: Juglans regia (Walnuss;) scheidet Stoffe aus, die anderen Pflanzen kaum Wachstum in ihrem Wurzelraum ermöglichen; Robinia pseudacacia (Robinie) hat stark gerbstoffhaltige Blätter, wenn sich diese im Herbst auf dem Boden zersetzen gehen andere dort wachsende Pflanzen ein.